Die Schleier sind gefallen: Der Kapitalismus hat uns nur noch Krisen zu bieten. In beschleunigtem Takt jagen sich Finanzkrise, Schuldenkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, Pandemie, Krieg im Osten, Inflation, Energiekrise. Und die planetare Krise der Ökosysteme – jetzt bedroht der kapitale Totentanz gar die Gattung Mensch selbst.
Diese Ordnung steht nackt: Längst hat sich die Vorstellung, der Kapitalismus sei eine natürliche Form des Zusammenlebens, als Mär herausgestellt. Für manche mag dies eine verstörende Erkenntnis sein. Für uns1 ist eine gute Nachricht. Endlich findet das Gerede von ökonomischer Effizienz, magerem Staat und Fortschritt durch die Bereicherung der 0,1 Prozent ein Ende. Produktivismus und Konsumismus sind passé. An TINA (There is no Alternative) glauben nur noch sehr wenige. Es war höchste Zeit.
Nur, die wichtigste Frage bleibt: Wie kommen wir da heraus?
Denn freiwillig werden die herrschenden Klassen nichts preisgeben, wie manche hofften, im Crash von 2008, dann wieder während der Covid-Seuche und zuletzt 2023, als die halbe Welt brannte und der anderen Hälfte das Wasser am Halse stand. Das Kapital kennt nur eine Gangart: Noch mehr vom alten, mit Karacho in die Wand. Also in einen verschärft autoritären Neoliberalismus. Den Staat hat es zu seinem Kassenschrank gemacht. Menschenrecht ist nicht mehr im Kurs. In den Salons stossen sie schon wieder auf Nationalismus, Rassismus und die militarisierte Polizei an.
Die einen sagen, sie könnten sich leichter das Ende der Welt als ein Ende des Kapitalismus vorstellen. Andere hoffen auf den Zusammenbruch des Systems. Dritte setzen auf den «Grossen Abend», also eine Revolution. Wir sind da skeptisch. Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Das ist die Zeit der Monster.
Aber vor allem die Zeit der Schöpfungen. Gegen die alltäglichen Zumutungen und die brutalen Regeln, mit denen der Kapitalismus die Gesellschaften in die Disziplin zwingt, sind Ideen und Praktiken entstanden, die darüber hinausweisen. Die auf Freiheit, Gleichheit, Solidarität zielen. Die das nie eingelöste Versprechen von 1789 wahrmachen. Die dem Ich wieder ein Wir geben. Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen. Das ist seine anthropologische Grundbedingung, die das Kapital immer geleugnet hat. Es hat uns atomisiert, zu negativen Individuen gemacht, denen das Gemeinsame fremd wird.
In Zwischenzeiten ist das Schlimmste nie gewiss, das Neue muss gebaut werden. Die 2020er-Jahre sind die Weggabelung im alten Ringen zwischen Emanzipation und Herrschaft. Zwischen einer Zukunft für alle und einer Zukunft allein für die Wenigen, die sich auf Inseln des letzten Überflusses absetzen.
Wo können die Vielen Hand anlegen?
Verwerfungen und Brüche wie die Klima-Überhitzung zwingen das Kapital, sich neu aufzustellen. In diesem Übergang ist sein System instabil. Das eröffnet neue Möglichkeiten. Um diese Möglichkeiten geht es auf dieser Seite. Sie heisst Transkapitalismus, «Trans» wie Transit. Durch den Kapitalismus über den Kapitalismus hinaus.
Ein Programm wird es nicht. Die Erfahrung lehrt, dass die neue Gesellschaft die Vielen, die Multitude braucht und einen langen Atem. Die Bereitschaft, an jeder Bruchstelle handfest ein Kräfteverhältnis des Begehrens zu schaffen. Sí, se puede.